Fragen eines ETF-Neulings

Oliver am 29.08.2025

Hallo zusammen,

ich will in Kürze als ETF-Neuling einen Teil meines Vermögens (ca. 75.000 Euro) in ETF anlegen.
Es soll zunächst ein Einmalkauf eines thesaurierenden MSCI World sein, der dann die nächsten 10-25 Jahre dort (hoffentlich) liegen und wachsen soll (evtl. mit späteren Aufstockungen).
Zuerst muß ich mich ja für ein Depot entscheiden. Ich habe diese Depots in die engere Wahl genommen (in etwa dieser Reihenfolge):
TradersPlace, SmartBroker+, Finanzen.net, Scalable Capital, Trade Republic (bei TR ist bereits ein Konto vorhanden).

1.) Habt Ihr Empfehlungen, Tipps hierzu, welche Ihr nehmen oder eben nicht nehmen würdet (vor allem auch in Anbetracht eines langen Liegedatums)?
Die ersten drei nahm ich in die engere Wahl, da sie Telefonsupport anbieten sollen. Zudem will ich meine Geschäfte möglichst über den Computer machen, wobei ja eigentlich erst nur einmal ein einzelner Kauf stattfinden wird.

2.) Mir war neu, daß es mehrere MSCI World gibt. Hatte jetzt mal diese zur Auswahl genommen: HSBC IE000UQND7H4, Invesco IE00B60SX394, iShares IE00B4L5Y983.
Nach meinen Recherchen soll es aber relativ egal sein, welchen man nimmt, da mal der eine in diesem Jahr und der andere im nächsten Jahr besser sei.
Seht Ihr das genauso?

3.) Sollte ich vor dem Kauf den Markt bezüglich des Kurses ein paar Tage beobachten und "günstig" zuschlagen oder einfach kaufen, da ich durch die Wartezeit eher Geld verliere als Kurgewinne mache, die bei langer Laufzeit dann ohnehin unerheblich sind.

4.) Ist es tatsächlich wichtig, möglichst tagsüber bei offenen Börsen zu kaufen als nachts?

Vielen Dank für Eure Antworten.
Oliver

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Spooky78 am 29.08.2025

@ Oliver_346480:

Zu 1.): Leider habe ich bislang keine persönliche Erfahrung mit den 5 genannten Neobrokern und kann entsprechend auch keine konkrete Empfehlung abgeben, würde aber allgemein ein paar Punkte zu bedenken geben wollen. Zunächst einmal sehe ich bei den genannten Unternehmen noch einen gewissen "Sicherheitsnachteil" gegenüber den etablierten Anbietern wie den traditionellen Bankhäusern oder auch den Direktbanken. Dies ist weniger auf die Abwicklung der Transaktionen, sondern eher auf die Bonität der Anbieter bezogen. Die Wahrscheinlichkeit einer Pleite scheint mir bei diesen, teilweise doch noch recht jungen und kleinen Unternehmen schlichtweg größer als bei der "gestandenen" Konkurrenz. Natürlich wären auch dort die Kunden-Depots als Sondervermögen geschützt, aber die Frage ist, wie lange es im Falle einer Insolvenz des Anbieters dauert, bis die Depotwerte zu einem neuen Broker übertragen werden können. Das kann womöglich Wochen oder gar Monate dauern. Wenn man in dieser Zeit an sein Geld möchte oder die Börsen verrückt spielen, könnte das sehr ärgerlich werden. Es erscheint mir daher etwas unwahrscheinlicher, in eine solche Situation zu geraten, wenn man sich stattdessen für einen etablierten Anbieter entscheidet, auch wenn dieser meist etwas teurer ist.
Man kann dieses Risiko aber allein schon dadurch reduzieren, indem man nicht alles "auf eine Karte setzt", sondern sein Depot auf mehrere Anbieter aufteilt. Dabei sollte man aber möglichst darauf achten, dass diese nicht mit derselben Handelsplattform bzw. Depotbank arbeiten. Finanzen.net Zero und Traders Place nutzen z.B. beide die Baader Bank. Sollte es bei der einmal Probleme geben, wären also womöglich beide Broker betroffen.
Ansonsten ist es gerade für Anfänger hilfreich, wenn auch ein persönlicher (telefonischer) Support angeboten wird, falls es mal Fragen gibt, die im FAQ-Bereich nicht geklärt werden können. Dieser Aspekt sollte daher auf jeden Fall in die Entscheidung mit einfließen. Gleiches gilt auch für die erwähnte Möglichkeit des Online-Zugriffs über den PC statt nur via App. Eine ganz gute Übersicht bietet in diesem Zusammenhang z.B. der Neobroker-Vergleich von Finanzfluss: 
https://www.finanzfluss.de/vergleich/depot/neobroker/

Zu 2.): Es gibt zwar tatsächlich nur einen MSCI World-Index (https://de.wikipedia.org/wiki/MSCI_World), aber verschiedene ETF-Anbieter, die das Recht erworben haben, diesen nachzubilden und die "Marke" zu nutzen. Eine Übersicht sämtlicher MSCI World-ETFs findet man z.B. hier:
https://www.justetf.com/de/how-to/msci-world-etfs.html

Die Unterschiede liegen dabei meist in der Art und des Umfangs der Replikation, d.h. physisch, also durch den direkten Erwerb aller (vollständige Replikation) oder der "wichtigsten" (optimiertes Sampling) im Index aufgeführten Wertpapiere, oder synthetisch, i.d.R. mittels Swaps (https://www.justetf.com/de/academy/synthetische-replikation-von-etfs.html). Letztgenannte Variante ist für die Anbieter normalerweise günstiger, weshalb auch die Kosten für die Anleger (TER) meist niedriger ausfallen, als bei den physisch replizierenden ETFs. Das gilt teilweise auch auf solche ETFs, die ein optimiertes Sampling einer vollständigen Replikation vorziehen.
Weitere Unterscheidungsmerkmale sind die Art (ausschüttend oder thesaurierend) und ggf. die Häufigkeit (jährlich oder öfter) der Ausschüttung, die aber nur geringe Auswirkungen auf die Rendite und die Kosten haben dürften.

Grundsätzlich erscheint es sinnvoll, beim ETF-Kauf auf die TER zu achten, da die Kosten bekanntlich die Rendite schmälern. Insofern wäre hier von den 3 erwähnten Produkten der ETF der HSBC mit lediglich 0,15 % p.a. die erste Wahl. Es gäbe aber auch noch günstigere Varianten (siehe o.g. Link zur MSCI World-ETF-Übersicht). Allzu groß sind die Renditeunterschiede aber tatsächlich nicht, da ja alle letztlich denselben Index nachbilden. Die unabhängigen Experten von Finanztip empfehlen im Übrigen folgende ETFs:
https://www.finanztip.de/indexfonds-etf/msci-world-etf-vergleich/

Zu 3.): Market-Timing (https://de.wikipedia.org/wiki/Timing-Strategie_(Finanzwirtschaft)) ist eine Kunst, die wohl nur die Allerwenigsten beherrschen. Deshalb macht es nicht allzu viel Sinn, auf den "richtigen" Moment zu warten. Wenn man unsicher ist, kann man aber natürlich auch erst einmal nur einen Teil des Geldes anlegen und dann in ein paar Monaten nachkaufen oder gleich einen Sparplan anlegen und den Cost-Average-Effekt (https://de.wikipedia.org/wiki/Durchschnittskosteneffekt) nutzen. Welcher Weg letztlich der bessere ist, da scheiden sich die Geister. Grundsätzlich würde ich aber empfehlen, ein Limit zu setzen, um gegen plötzliche Kursturbulenzen gefeit zu sein.

Zu 4.): Auch hier gibt es unterschiedliche Meinungen. Allgemein wird jedoch empfohlen (z.B. hier: https://www.finanztip.de/daily/etf-kauf-das-wann-ist-wichtiger-als-das-wo/), nur zu den regulären Börsenöffnungszeiten zu kaufen, da dann auch auf den Handelsplattformen der Konkurrenzdruck höher und der Spread entsprechend niedriger ist. Andererseits ist der Direkthandel über Plattformen wie Lang & Schwarz ohnehin meist günstiger als via XETRA, so dass hier die Auswirkungen auf die Gesamtkosten überschaubar sein dürften.

Ich hoffe, ich konnte mit meinen Ausführungen zumindest ein wenig zur Entscheidungsfindung beitragen. Falls es darüber hinaus noch Fragen geben sollte: Immer her damit! ;-)

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