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„Different is beautiful“ – außer bei ETFs und ihren Indizes?

15.05.2023 - David Stahmann - 3 Kommentare

„Different is beautiful“ – außer bei ETFs und ihren Indizes?

Vor Kurzem erreichte uns folgende gute Frage eines Lesers oder einer Leserin: „Können Sie mir kurz erklären, warum ein ETF auf den MDAX (-2,4%) und der MDAX (+ >4%) binnen 5 Jahren sich so erheblich auseinanderentwickeln?“ Diese Frage greifen wir hier einmal auf, um diese für ggf. mehr Interessierte mit Blick auf ähnliche Situationen bei anderen ETFs bzw. Indizes zu beantworten.

Wichtig ist zunächst, hier den korrekten ETF mit dem jeweiligen Ausgangsindex zu vergleichen. Mittlerweile gibt es verschiedene ETF-Spielarten auf ein und denselben Index: Der ETF kann etwa ausschüttend oder thesaurierend sein. Er kann den Index physisch replizieren (also z. B. die im Index abgebildeten Aktien tatsächlich kaufen) oder synthetisch nachahmen (also über irgendwelche anderen Mittel, solange die Wertentwicklung des zugrundeliegenden Index erreicht wird). Er kann als Fondswährung den Euro nutzen, den US-Dollar oder eine dritte, ganz andere Währung. Oder aber der ETF-Anbieter nimmt aus verschiedenen Gründen noch Anpassungen am ETF vor, sodass es größere inhaltliche Abweichungen vom Index gibt. Das kann z. B. der Ausschluss von einzelnen Firmen aus dem Index etwa aus Nachhaltigkeitsgründen oder auch eine forcierte Gleichgewichtung aller ETF-Bestandteile zwecks Vermeidung von Klumpenrisiken sein, also dem möglichen Übergewicht von einzelnen Positionen im Index.

Im Fall des MDAX wird üblicherweise der Performanceindex herangezogen, wenn über diesen gesprochen wird – es werden also sowohl die Kursentwicklung als auch die (hypothetisch in den Index wieder reingerechneten) Dividendenausschüttungen der darin enthaltenen Firmen abgebildet. Geben wir also bei Google „mdax“ ein, bekommen wir direkt in Echtzeit den aktuellen Indexstand angezeigt. Ein Klick auf „5 Jahre“ zeigt anschließend tagesgenau, dass der MDAX als Performanceindex in den letzten 60 Monaten eine Gesamtperformance von etwa 1,6 Prozent aufweist (Stand 12. Mai 2023). Schauen wir auf Extra-ETF in einen passenden Vergleichs-ETF, der den MDAX ohne irgendwelche Änderungen auf Fondsebene einfach direkt nachbildet und Dividenden entsprechend wiederanlegt, bekommen wir dort beim Punkt „Wertentwicklung“ bei „5 Jahre“ stattdessen eine Gesamtrendite von rund -1,5 Prozent angezeigt.

Wir können also als Zwischenfazit festhalten: Die beschriebene Beobachtung einer unterschiedlichen Entwicklung zwischen einem Index einerseits und einem ETF andererseits, der den Index stur 1:1 abbildet, ist tatsächlich vorhanden (und, soviel können wir schon vorwegnehmen, auch völlig normal).

Woran liegt das nun? Sehr stark vereinfacht: Jeder Aktienindex ist letzten Endes nur ein Stück Papier oder ein digitales Word-Dokument mit einer Liste von börsennotierten Firmen (z. B. „50 mittelgroße börsennotierte Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland“) und einem schicken Namen für diese Liste (z. B. „MDAX“). Dieser somit neu geschaffene Index wird dann vom Ersteller des Dokuments (z. B. die vielfach bekannte Firma MSCI, deren Name auch in diversen „MSCI World“-ETFs steckt) an ETF-Anbieter wie BlackRock, Vanguard oder Amundi angeboten, damit diese anschließend entsprechende ETFs auf diesen neuen Index aufbauen und uns Kunden anbieten können. Da der Index wie gesagt kein physisches, sondern ein rein theoretisches Konstrukt ist, kann die Wertentwicklung der darin enthaltenen Vermögenswerte wie in einer perfekten Welt 1:1 nachgebildet werden. Das für uns Anleger sichtbare Ergebnis davon ist der oben erwähnte Indexstand, den wir sekündlich in Echtzeit an der Börse sehen.

ETFs hingegen haben einen Nachteil: Sie bewegen sich wie wir Anleger in der sogenannten „realen Welt“. Die ETF-Anbieter oder genauer gesagt die Unternehmen, die solche ETFs entwickeln und anbieten, haben so etwas wie Kosten – für Personal, für die Verwaltung der Gelder im ETF, für Marketing usw. – und wollen zudem auch gerne noch irgendwo einen Gewinn erzielen. Das schlägt sich alles v. a. in der Gesamtkostenquote oder auch „Total Expense Ratio“ (TER) nieder, die wir ETF-Anleger pro Jahr an den entsprechenden Anbieter bezahlen. Damit geht jedes Jahr ein Teil „unseres“ ETF-Vermögens flöten, welches somit nicht mehr im ETF arbeiten kann.

Darüber hinaus verändern sich Indizes im Zeitverlauf immer wieder mal – einige Unternehmen fallen aus verschiedenen Gründen heraus und neue kommen hinzu. So geschehen z. B. im vergangenen September, als u. a. vier Unternehmen den MDAX verließen und dafür vier andere neu einzogen. Das führt bei ETFs, die den MDAX detailgetreu mit echten Aktien nachbilden, zu entsprechendem Änderungsbedarf im Portfolio. Das geschieht in Form von Aktienverkäufen der ausziehenden und Aktienkäufen der neu einziehenden Unternehmen, was natürlich entsprechende Transaktionsgebühren kostet, die das ETF-Vermögen bzw. die Rendite etwas schmälern.

Ein weiterer Punkt ist auch, dass ETFs fast immer einen kleinen Cash-Bestand im Portfolio halten. Sie sind also kaum zu 100 Prozent voll investiert. Zum Teil auch einfach dadurch bedingt, dass immer wieder mal Dividendenzahlungen eintrudeln, die zudem oft erst ab einer Mindestgröße oder mit Zeitverzögerung wieder durch die ETF-Verwalter reinvestiert werden. Auch durch diese beiden Punkte sind kleinere Abweichungen zum Index möglich, der sich in seiner idealen Welt mit solchen weltlichen Dingen nicht auseinandersetzen muss.

Es gibt noch einige kleinere mögliche Einflussfaktoren, die aber an dieser Stelle nicht ausgeführt werden sollen. Wichtig ist uns an dieser Stelle eher, noch einmal im Groben einige wesentliche Gründe und allgemeinen Mechanismen aufzuzeigen, die zu diesen völlig normalen Differenzen zwischen Indizes und jeweiligen ETFs führen. Und ob eine wie in unserem obigen MDAX-Beispiel dargestellte Differenz von rund 3 Prozentpunkten auf 5-Jahressicht wirklich als „erhebliche“ (und relevante) Auseinanderwicklung einzustufen ist vor dem Hintergrund, was Anleger denn grundsätzlich mit ETFs als Anlagevehikel an Vorteilen bekommen, muss jeder für sich selbst entscheiden. Es kommt übrigens auch vor (wenn auch recht selten), dass sich diese Differenz vorteilhaft für den Anleger entwickelt; der ETF also kurzweilig besser performt als der Index. Aber das fällt dann unter die Regel „Jede Regel hat ihre Ausnahme“…

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am 06.07.2023 - 15:39 Uhr Link

Der Grund ist doch hier die Steuer. Der MDAX wird ohne Steuerabzug der Dividenden berechnet. Wie soll ein ETF das nachbilden?

Der MSCI World Netto Index wird übrigens mit dem vollen Quellensteuersatz auf Dividenden (z.B. USA 30%) berechnet. Ein in Irland beheimateter ETF zahlt aber nur 15% Steuern auf die US-Dividenden (Doppelbesteuerungsabkommen zwischen USA und Irland). Das ist der Grund warum die sog. Trackingdifferenz beim MSCI World ETF so gering oder manchmal sogar negativ ist.

Auf US-Einzelaktiendividenden zahlt man als Deutscher aber auch nur 15% Quellensteuer.

ETFs mit hoher Dividendenrendite haben oft auch eine höhere TER aber ebenso eine sehr geringe Trackingdifferenz. Die ETF-Fondsgesellschaft sackt sich halt die höhere Differenz zwischen den 70% und 85% Nachsteuerdividenden ein.

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am 07.07.2023 - 11:08 Uhr Link

Hallo Marius,

genau, das ist auch ein weiterer Faktor in der Realität, mit dem sich Indizes nicht rumschlagen müssen in ihrer idealen Papierwert. Hätte ich vielleicht wirklich auch noch einmal extra mit aufnehmen und nicht einfach in den "noch weitere Einflussfaktoren"-Part packen sollen. Guter Punkt, vielen Dank dir für die Ergänzung!

Viele Grüße, David

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am 15.05.2023 - 15:25 Uhr Link

Sehr gut formuliert.
Viele ETF-Anleger (das ist auch normal) vergleichen immer mal wieder ihren ETF mit dem Index und freuen sich oder sind enttäuscht. Ich habe selten so einen klaren Überblick gelesen, warum das so ist und jeder sich überlegen muss, ob er mit ETF sein Geld arbeiten lässt oder nicht doch selbst etwas Zeit für die Recherche aufwendet und damit eine freiere Entscheidungsmacht hat als ein (doch irgendwie stures) Festhalten am Index-Geschehen. Und dann kommt das dazu, was man überall liest: vergangene Performance ist nicht gleich künftige. Ich wünsche allen viel Vergnügen und ggfs. auch Erfolg damit.
Danke sehr für Ihre stets lesenswerten Kommentare.

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