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Ein kleines Weihnachtswunder: Der Finanzjoker (fast) ohne Maske

11.12.2017 - Finanzjoker- 0 Kommentare

 Der Finanzjoker verfällt der besinnlichen Weihnachtszeit und erlaubt einen kleinen Blick hinter seine Maske.

Wie Weihnachten immer näher rückt, verfällt selbst ein unruhiger Harlekin wie der Finanzjoker in eine besinnliche Stimmung und ergibt sich seinen Gedanken. Zu diesem Anlass nimmt er zum ersten Mal seine Maske runter und gewährt den Lesern einen kleinen Einblick in seine Person. Wo kommt unser Joki eigentlich her? Was treibt ihn derzeit rum? Warum hat er manchmal Angst vor dem "typisch deutschen Sparer" und dessen allgemeinem Anlageverhalten? Selbst wir von der Redaktion geben zu, dass wir eine ganz neue Seite von ihm kennenlernen.

Mein lieber Joker-Jünger, ich will ehrlich zu dir sein: Mir fiel bis vor Kurzem kein einzelnes Thema für einen längeren zusammenhängenden Text für diese Kolumne ein.

"Joki, was war denn da los?"

Naja, mal abgesehen davon, dass auch dein Finanzjoker nur ein Mensch mit Fehlern und Schwächen ist, hat es neben dem Redaktionsleiter der Kritischen Anleger auch mich erwischt. Der Geist der kommenden Weihnacht hat mich geküsst und für eine kleine Weile zur Besinnung gebracht. In der Tat passiert es im Moment recht häufig, dass ich mir mehr Zeit für einen persönlichen Rückblick von 2017 nehme und mir auch mehr als üblich verschiedene Gedanken zum Thema Finanzen mache. Das führt dazu, dass in meinem Kopf derzeit viele Fragen, Erinnerungen, Erkenntnisse und generelle Gedankengänge herumschwirren. Ich möchte die aktuelle Zeit der Entschleunigung und Rückbesinnung auf das menschliche Miteinander daher nutzen, einige dieser Gedanken mit dir zu teilen. Damit will ich dir auch ausnahmsweise einen Blick hinter die Maske deines Narrens geben, der vielleicht etwas wirr ausfallen mag. Verzeih’ mir also bitte, wenn du hier nicht deinen gewohnten Finanzjoker zu lesen bekommst…

Der Finanzjoker am Hofe der Kritischen Anleger

Mir ist erstmals richtig bewusst geworden, dass ich seit fast einem Jahr beim hiesigen Redaktionsteam als externer Gastautor mitmischen darf. Am 11. Februar erfolgte mein Debüt und seitdem hat sich die Qualität meiner Kolumne bis heute kontinuierlich erhöht, zumindest aus meiner Sicht und auf Grundlage diverser Lesermeinungen. Diese positive Entwicklung durchgemacht und mich stetig verbessert zu haben, freut mich als Hobby-Schreiberling und Lesestoff-Anbieter rückblickend natürlich sehr. Wenig überraschend habe ich auch einige negative Rückmeldungen bekommen, u. a. die Mail eines Lesers, der sich von mir verabschiedete, da er mit meinem Schreibstil nicht klarkomme. Ist natürlich schade, aber ich muss und will auch nicht jedem gefallen. Ich bin lieber ein eckiges Etwas als ein rundes Nichts, was ich mir zum Glück auch leisten kann. Dank des allgemein engen Kontakts zur Redaktion und ihrer Arbeit sowie dem Kontakt zu zahlreichen Lesern, die mir auch Aspekte ihrer Lebensgeschichten schreiben, habe ich ganz nebenbei tiefe Einblicke in die allgemeine „deutsche Anlegerseele“ bekommen, was ich als unschätzbar wertvoll ansehe. Das bekomme ich in meinem persönlichen Umfeld in der Breite und Vielfalt so nicht zu sehen. Die vielen anonymen Zahlen aus diversen öffentlichen Umfragen und Statistiken über Deutsche und ihr Anlageverhalten nehme ich dadurch mit einer ganz persönlichen Note im Hinterkopf wahr.

Ähnliche Gedanken kamen mir auch während meines anonymen Besuchs beim von Kritische-Anleger.de gesponserten und co-organisierten Finanzbarcamp in Hamburg. Ohne meine Gastkolumne wäre ich evtl. niemals auf die Veranstaltung gestoßen oder hätte daran überhaupt teilgenommen. Jetzt bin ich sehr froh, dass ich das getan und die Gelegenheit wahrgenommen habe, einmal mit einer Vielzahl von völlig fremden Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen zu sprechen bzw. ihnen in den Sessions einfach zuzuhören. Was bewegt sie finanziell wirklich? Wie legen sie bevorzugt an oder wollen sie zukünftig anlegen und warum? Ich habe wie der hiesige Chefredakteur in seinem Rückblick viele positive Eindrücke erhalten, selbst aber allerdings auch einige Dinge gehört, die mir ein bisschen Sorge bereiten. Aber dazu später mehr.

Alles in allem verdanke ich dem vierköpfigen Redaktionsteam hier dieses Jahr eine Menge neuer Erfahrungen im finanziellen Bereich, die mich auch persönlich weiterentwickeln lassen haben. Dafür an dieser Stelle ein allgemeines Dankeschön vom Finanzjoker und noch einmal ein großes Kompliment fürs Barcamp. Habt ihr zusammen mit der comdirect echt super gemacht!

Die Gnade der richtigen Geburt

Wie wahrscheinlich ist es, dass du und du und auch ich jeweils überhaupt geboren wurden? Das hängt zwar u. a. von den Annahmen ab, die zugrunde gelegt werden, aber generell antwortet die Wissenschaft darauf mit einer Bandbreite zwischen eins zu 400 Billionen und eins zu 700 Billionen. Kurz gesagt: praktisch Null. Und wie wahrscheinlich ist es nun, auch noch in einer Familie geboren zu werden, in welcher du die besten Voraussetzungen für eine gesunde finanzielle Allgemeinbildung und damit die Möglichkeiten erhältst, ein verantwortungsvoller, umsichtiger und eigenständiger Anleger zu sein? Praktisch Doppelnull, würde ich sagen. Dein Finanzjoker ist eine ebensolche.

Nicht nur, dass meine Eltern beide in einer (durchaus guten) Bank arbeiteten und somit aus erster Hand wussten, wie manche Branchenvertreter so ticken gegenüber ihren Kunden. Sie brachten (nicht nur, aber auch) dadurch umfassendes Finanzwissen mit, welches Sie mir nur allzu gern in kluger Weise mitgaben. Wenn ich Fragen zu wirklich benötigten Versicherungen, der Funktionsweise von Anleihen oder ihrem eigenen Anlageverhalten und Portfolio hatte, bekam ich immer ausführliche, geduldige Antworten und mit zunehmender eigener Reife gute Gespräche auf Augenhöhe. Sie haben mich zu dem geformt, was ich als Sparer, Anleger, Investor und v. a. als „Human Resource“ heute bin – und ich glaube, sie und ich sind jeweils sehr zufrieden damit. Wer meinen Beitrag über mein persönliches Portfolio gelesen hat, sieht, dass ich stark zwischen und innerhalb von Anlageklassen diversifiziere (an mancher Stelle wahrscheinlich über das objektiv sinnvolle Optimum hinaus).

Beruflich muss ich mir derzeit auch keine Sorgen machen: Ich habe einen Vollzeitjob, der mir viel Spaß macht, mich fachlich enorm weiterbringt und ausreichend gut bezahlt wird. Daneben arbeite ich nebenberuflich als besagter Gastautor für Kritische-Anleger.de mit, betätige mich als Berater in einem Finanz-Startup und arbeite seit mehr als einem Jahr an einem eigenen Socialpreneur-Projekt. Diese Bandbreite an beruflichen Einsatzgebieten und auch mein bisheriges Spar- bzw. Anlageverhalten sind die letztendliche Grundlage, dass ich jetzt schon in der wunderbaren Situation bin, jederzeit „Nein!“ sagen zu können. Denn ich bin nicht auf die eine bestimmte Stelle zwingend angewiesen, wenn ich eines Tages Widersprüche zu meinen Werten oder Prinzipien feststellen sollte, die einem „Weiter so“ entgegenstehen. Nichts würde mir mehr Angst machen als finanzielle Abhängigkeit von jemandem oder etwas, wenn ich es vermeiden kann.

Von daher bin ich ungeheuer froh und mir oft des seltenen Privilegs der „richtigen“ Geburt bewusst. Denn das versetzt mich auch in die glückliche Lage, meine Rolle als Mitbürger einer sozialen, demokratischen Gesellschaft wahrnehmen zu können und z. B. am Jahresende immer extra eine hohe vierstellige Summe an besonders kleine Vereine und Organisationen abseits der bekannten Branchenriesen zu spenden. Quasi eine Art „soziale Dividende“, die ich einmal im Jahr freiwillig auszahle als Dankeschön für alles Positive, was ich auf meinem bisherigen Weg von Gesellschaft und Staat als Anschub mitbekommen habe.

Hinter jedem starken Mann steht eine noch stärkere Frau

Nur wenige Finanzinteressierte haben wahrscheinlich das seltene Glück, jemanden im persönlichen Umfeld zu haben, mit dem man sich offen über Finanzthemen generell und gerade abseits der ewigen Dauerklassiker Sparbuch, Tages- und Festgeld sowie Betongold in Form eines Eigenheims austauschen kann. Noch schwieriger sieht das für manchen beim jeweiligen Partner aus, der bestenfalls einfach kein Interesse zum Lernen hat, schlimmstenfalls mit seiner Einstellung zu Geld und dessen Verwendung diametral zu den eigenen Ansichten steht.

Dein Finanzjoker ist hingegen (wie auch z. B. die Beziehungs-Investoren) einer der Glücklichen, welcher für sich den richtigen “partner in crime“ gefunden hat. In vielerlei Hinsicht. Die Dame ist zum einen ein sehr wissbegieriger Mensch und daher von vornherein auch für finanzielle Themen offen, obwohl sie trotz hoher Sparquote bisher selbst kaum in Finanzanlagen investiert hat. Dazu muss man wissen, dass meine Finanzjokerin aus dem Baltikum kommt und daher einen ganz anderen Hintergrund hat. Sie investiert in erster Linie in sich selbst und den kommenden Aufbau eines eigenen Unternehmens, was ich auch absolut unterstütze. Wann immer ich etwas zum Thema in den Medien lese oder mich über potenzielle, neue Investitionsvehikel informiere, kann ich mit ihr darüber reden und mir ihre Meinung und Ansicht dazu einholen. Am liebsten habe ich es jedoch, wenn sie mich mit Fragen herausfordert und mich dadurch zum Nachdenken zwingt.

Als ich ihr z. B. das erste Mal in einem Café mein Depot und die darin enthaltenen Einzelaktien zeigte, stieß sie u. a. auf meine Nestlé-Position, worauf sie meinte: „Seit ich dich kenne, bist du immer ein Mensch gewesen, der sehr bewusst durchs Leben geht. Dir sind Themen wie Umwelt- und Klimaschutz wichtig, du kennst die Probleme unseres Wirtschafts- und Finanzmarktsystems, du interessierst und engagierst dich für verschiedene gesellschaftsübergreifende Themen. Und dann hältst du Aktien von Nestlé trotz allem, wofür die Firma verantwortlich war und ist? Wie passt das zusammen?“ Nein, sie meinte das nicht vorwurfsvoll. Sie wollte es schlicht verstehen und sehen, ob ich in dieser Sache einfach nur ein kleiner Heuchler bin oder wenigstens bestimmte Gründe und mir dazu Gedanken gemacht hatte. Da Letzteres der Fall ist, konnte ich ihr meine Meinung dazu erläutern. Wir hatten ein wirklich gutes, langes Gespräch, wodurch sie mich auch zwang, erneut selbst über meine allgemeinen Anlagegrundsätze nachzudenken.

Ein anderes Beispiel aus unserem Alltag: Ich las einen Artikel zur neuen Rekordsumme an ausgeschütteten Dividenden der DAX-Firmen und echauffierte mich ihr gegenüber: “Der DAX ist ein so was von schlechter Index für Anleger und soll aber die deutsche Wirtschaft widerspiegeln?!” Aus Interesse fragte sie umgehend: „Warum? Welche Firmen sind im DAX? Wer oder was bestimmt eigentlich, wer drin ist? Welcher Index ist denn besser?“ Ich konnte die Fragen schon beantworten, musste aber trotzdem zunächst mal in Ruhe nachdenken, um schlüssige und konkrete Antworten geben zu können. Denn im Kopf wissen wir natürlich die Antworten „irgendwie“, aber man muss auch in der Lage sein, das Thema erklären zu können:

  • in artikulierter Lautsprache,
  • in zusammenhängenden Sätzen,
  • mit unterlegten Fakten
  • und selbst dann, wenn dieser Mensch (zunächst) fachfremd ist.

Grob rumfaseln und andeuten kann jeder, aber dann hat derjenige es wahrscheinlich selbst nicht so wirklich verstanden. Sie will es genau wissen und zwingt mich mit ihren hartnäckigen Nachfragen, konkret und detailliert zu antworten und ggf. Fakten zu präsentieren. Mit Wischiwaschi und irgendwelchen dahin geworfenen Zahlen brauche ich ihr gar nicht erst zu kommen! Das zeigt mir, ob ich wirklich so ein fundiertes Allgemeinwissen habe und es auch tatsächlich verstehe und zu nutzen weiß, wie ich selbst es von mir glaube. Meine baltische Finanzjokerin ist de facto meine Entwicklungshelferin; sie saugt selbst aber auch jede Information auf, die ich ihr zu diesem Thema allgemein mitgeben kann. Nicht umsonst nenne ich sie manchmal mit Augenzwinkern „mein persönlicher Bitcoin, der jedesmal erneut im Wert steigt, wenn ich ihn mir anschaue“. Wir sehen uns nämlich nicht jeden Tag, da wir in völlig unterschiedlichen Branchen mit entsprechend anderen Arbeitszeiten tätig sind.

Anlegen im Edison-Stil: 1000 Wege finden, wie man es nicht macht

Noch einmal zurück zu meinen Erfahrungen beim Finanzbarcamp: Generell bin ich auf eine Ansammlung von finanziell gebildeten und lernwilligen Mitmenschen gestoßen. In den Sessions wurden viele kluge Fragen von teils sehr tiefer Natur gestellt, aber auch bereitwillig eigene gute und schlechte Erfahrungen und Geschichten geteilt. Allerdings wurde ich in manchem Einzelgespräch auch wieder ein bisschen aus meiner persönlichen Filterblase herausgeholt. Denn manche(r) Gesprächspartner(in) erzählte mir fast schon überschwänglich von durchaus hohen Engagements etwa bei Bitcoin oder anderen Kryptowährungen im Rahmen von sogenannten Initial Coin Offerings. Auch beim Thema Crowdinvesting, Wikifolio oder binären Optionen schien mir manche Person sich mehr zu engagieren und Summen einzusetzen, als ihr gut tut, zumindest auf Basis der aus dem Gespräch erhaltenen Informationen. Da schien mancher noch nicht seine wahre Risikowahrnehmungs- und Risikotragfähigkeitsschwelle entdeckt zu haben. Vorsichtige Kommentare oder Hinweise meinerseits bzgl. dieses Aspekts wurden relativ schnell übergangen oder gar nicht erst weiter beachtet. Ist ja auch ok, muss am Ende jeder selbst wissen. Aber mir stößt an der Sache etwas anderes auf.

Wir Deutschen geben insgesamt ohnehin ein eher trauriges Bild ab, was eine diversifizierte, kostengünstige und langfristig orientierte Anlagestrategie mit guter Risiko-Rendite-Balance betrifft. Denn die Mehrheit unseres aller Anlagevermögen wird, wenn überhaupt, in klassische und festverzinsliche Produkte wie Tages- und Festgeld, Versicherungsprodukte und vielleicht noch aktiv gemanagte Aktien- bzw. Mischfonds mit entsprechenden Gebühren investiert. Ansonsten betrachten anscheinend zahlreiche Menschen die Anlage in „ungewohnte“ Vehikel wie bspw. den Kapitalmarkt als eine „Expertensache“. Da hat u. a. die Versicherungs- und Bankenlobby einen guten Job gemacht in den letzten Jahrzehnten. Kein absolutes Wunder also aus meiner Sicht, wenn Anleger auf Betrüger und deren zweistellige Renditeversprechen reinfallen, die kein gesunder Verstand bei anderen Angelegenheiten wie dem Kauf einer Waschmaschine oder des Deutschen liebstes Kind, eines Autos, auch nur ansatzweise abnehmen würde. Auch hier wieder: Wäre es nur jedermanns eigenes Bier, würde ich mich darum nicht scheren. Wer den Schaden braucht, um klug zu werden, muss halt dadurch.

Meine Sorge ist, dass manche Leute nicht die Verantwortung für ihr eigenes finanzielles Fehlverhalten übernehmen. Ihr könnt von mir aus in jeden Schiffscontainerfonds, in jede Anleihe für indonesisches Palmöl oder jede beliebige der über 1.200 Kryptowährung investieren. Aber wenn etwas passiert und die Warnzeichen bei einer genaueren Betrachtung ohne die Euro-Symbole in den eigenen Augen zu sehen gewesen wären, dann akzeptiere bitte auch das Resultat. Es ist dank Internet und insb. zahlreichen Finanzbloggern noch nie so einfach gewesen, dich im Vorfeld einigermaßen vernünftig selbst zu bilden. Wer dann immer noch ungeprüft jede Aussage des Beraters oder eines bunten Flyers einfach hinnimmt, ist am Ende selbst schuld. Die Wölfe der Wall Street kann es immer nur solange geben, wie es auch Schafe gibt. Aber nicht selten wird dann erstmal in diversen Portalen und Kommentarbereichen von mancher Webseite heftig Stimmung gemacht und die Schuld bei anderen gesucht („der böse Bankberater“...“die Regierung da oben“...“diese raffgierigen Nieten in Nadelstreifen an der Börse...“). Im schlechtesten Fall kommen da mehrere Betroffene zusammen und schaffen es am Ende zu medialer Aufmerksamkeit, da „betrogene ungeschützte Verbraucher“ immer gut ankommen bei den Klatschblättern der Republik. Die Vertreter der oben besagten Lobby nehmen dies dann sehr gern auf, um ggf. die rechtliche Finanzmarktregulierung noch stärker zugunsten klassischer und “sicherer Produkte“ mit Steuerförderung zu lenken und eine freie Wahl der genutzten Anlageklassen einzuschränken, z. B. in Form einer Reduzierung der Kapitalertragsteuer nach Ablauf einer Spekulationsfrist oder das schlichte Erhöhen des Sparerpauschbetrags. Man muss ja die armen Leute schützen und wenigstens vorspielen, dass irgendwas gemacht wird. Die gesamte Anlegerschaft in Deutschland wird also zuweilen von einer kleinen Gruppe im Nachhinein quasi in Geiselhaft genommen und die sogenannte Schwarmintelligenz zu einem echten Klumpenrisiko.

Liest ein Finanzjoker nur den Eulenspiegel?

Tatsächlich habe ich Sorge, dass aufgrund des aktuellen Bitcoin-Hypes und dem langjährigen Immobilien- sowie Aktienboom mehr und mehr Anleger aus falschen Gründen mit gefährlichem Halbwissen und zu kurzfristigem Denken in diese Märkte reingehen. Gefördert durch unreflektiertes Lesen von aktuellen Artikeln wie den Winklevoss-Zwillingen als erste Bitcoin-Milliardäre. Beim nächsten, garantiert kommenden Crash oder „Crash-chen“ gehen diese Leute wieder mit Unmut raus, fühlen sich bestätigt bzgl. der „Zockermärkte“ und aufgrund dessen kommt es im schlimmsten Fall erneut zu einer weiteren Erschwernis für simple, günstige, frei auswählbare Anlagemöglichkeiten. Dass es solche Leute geben wird, ist sicher. Einige dieser sitzen auch unter euch, das ist schon rein statistisch gesehen sehr wahrscheinlich. Von daher nur meine simple Bitte zu Weihnachen: Mach, was du willst. Genieße das freie Recht der Wahl mit ggf. einhergehendem Risiko, zu scheitern. So, wie du dich auch freiwillig dafür entscheiden darfst, dich mit Zigaretten rauchen bewusst kaputtzumachen und einen Teil der Behandlungskosten dafür auf mich und deine andere Mitmenschen zu übertragen. Übernimm dann aber auch Verantwortung und lass mich und andere in Ruhe, wenn du die dann negativen Folgen erfährst. Und zur Klarstellung: Hier geht es NICHT darum, offensichtlich betrügerische Initiativen, falsche Beratung oder allgemein kriminelle Machenschaften im Finanzanlagebereich freien Lauf zu lassen. Natürlich muss es eine sinnvolle Regulierung und Verhinderung bzw. Sanktionierung solcher schädigenden Aktivitäten geben. Aber wenn die Gesetzeslage allein dich nur unzureichend schützt oder zu spät, dann musst du auch selbst einen Beitrag für deine eigene Sicherheit leisten. Das ist wie beim Thema Internetsicherheit: Dein E-Mail-Anbieter kann das noch so beste Schutzprogramm haben und massiv Geld dafür ausgeben. Wenn du als eigenes Zugangspasswort aber „123456“ oder „passwort“ setzt, nützt das alles trotzdem nix und du brauchst dich auch nicht zu beschweren.

Nun ja, das war ein etwas anderer und vielleicht etwas düsterer Beitrag von deinem Joki. Aber denk dran, am Ende will ich eigentlich nur das Beste für uns alle. Manchmal verfällt nur selbst ein so vogelfreier Narr wie ich bestenfalls in tiefe Demut, wenn man manche Leute, Kommentare und Verhaltensweise in der breiten Masse sieht, was das Thema Geldanlage betrifft. Lasst uns daher alle etwas zur Ruhe kommen, ordentlich durchschnaufen und schauen, wie wir zusammen im nächsten Jahr sinnvoll weiter vorankommen. Deal or no deal?

In dem Sinne „Frohe Weihnachten“ von deinem Joki. Wir sehen uns im neuen Jahr mit neuer frecher Gewitztheit und losem Mundwerk.

P. S.: Manche Leser haben mich gefragt, was denn der Finanzjoker so für Bücher zu dem Thema liest oder empfehlen würde. Neben den allgemein üblichen Klassikern wie “Schatz, ich habe den Index geschlagen” oder “Rich Dad, Poor Dad” mag ich persönlich u. a. folgende zwei Bücher sehr:

  • “Bessere Welt: Hat der Kapitalismus ausgedient? Eine Reise durch alternative Wirtschaftssysteme” von Giacomo Corneo. Zum einen, weil der Autor das Buch auf sehr ansprechende Weise nach einem Streitgespräch mit seiner systemkritischen Tochter schrieb (Finanzwesir, irgendjemand?). Andererseits aber v. a. deshalb, weil mich seine Idee eines Aktienmarktsozialismus als Alternative zur heutigen Wirtschafts- und Gesellschaftsform ziemlich fasziniert. Wer einen ersten Einblick zu ihm und seiner Idee habe will, bevor er sich evtl. das Buch besorgt, sollte dieses sehr gute Interview von ihm lesen.
  • Zudem kann ich das 1890/91 erstmals erschienene Buch “Das Geld” vom französischen Schriftsteller Emile Zola sehr empfehlen, wer über das Thema Börsenspekulation in Form eines gut lesbaren Romans lesen möchte. Ich habe dieses Buch vor Jahren regelrecht verschlungen und es zeigt auf ansehnliche Weise durch Schilderung der damaligen Finanzwelt, wie schon vor mehr als 100 Jahren die Börse nach ihren eigenen Regeln spielte und (aus)genutzt werden konnte.

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