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Der Finanzjoker leiht sich und „bereichert“ das Dividenden-Tagebuch

15.05.2019 - Finanzjoker- 4 Kommentare

 Der Finanzjoker leiht sich das Dividenden-Tagebuch aus und verfasst einen Gasteintrag.

Wer erinnert sich nicht gerne daran, wie unser Finanzjoker sich mit einem "Gasteintrag" in unserem mittlerweile eingestelltem Crowdinvesting-Tagebuch verewigte? Das hat unserem kleinen Narren anscheinend viel Freude bereitet. Denn er hat sich nun auch unseres aktuellen Tagebuchs zum Thema "Dividenden" bemächtigt. Allerdings setzt er sich diesmal deutlich schärfer mit dem bisherigen Inhalt unserer Reihe auseinander und zeigt ein bisschen mehr die kritische Seite von Dividenden, die für ihn bisher zu kurz kam. Und wir lassen ihn gerne währen, das sind wir schon unserem eigenen Namen schuldig.

Anderthalb Jahre ist es nun her, dass dein Joki in einer lauen Septembernacht in die dunklen Räume der hiesigen Redaktion einstieg, um sich deren Crowdinvesting-Tagebuch „auszuleihen“. Denn in dieser Serie wurde aus meiner Narrensicht irgendwo zwischen „zu wenig“ und „gar nicht“ auf den „overkill by information overflow“ eingegangen, der mit einem hochdiversifizierten Crowdinvesting- bzw. Anlageportfolio einhergeht. An diesem Umstand hat sich natürlich nichts geändert, nur weil die Tagebuchserie mittlerweile eingestellt und in die Rumpelkammer geworfen wurde.

Nun begab es sich aber eines schönen Tages, dass ein anderes Redaktionsmitglied mit einer neuen Tagebuchreihe anfing, um ganz im Stile eines Möchtegern-Bilbo-Beutlins die Welt der Dividenden in eigener Hand zu erkunden und für den Portalbesucher zu dokumentieren und zugänglich(er) zu machen. Welch‘ hehren Worte wurden zu dem Zeitpunkt verkündet, z. B.:

  • „Wir streben beim Aufbau unseres Portfolios eine internationale Streuung als auch eine hohe Diversifikation zwischen den Branchen an. Auf diese Weise versuchen wir, das Risiko einer zu hohen Konzentration auf bestimmte Länder bzw. Regionen oder Industriezweige zu minimieren."
  • „Wir werden zwar keinen explizit nachhaltigen Investitionsansatz verfolgen. Dennoch behalten wir es uns vor, bestimmte Branchen grundsätzlich auszuschließen, da wir deren grundlegendes Geschäftsmodell nicht unterstützen möchten. Dazu gehören etwa die Rüstungs- und die Tabakindustrie.“

Seitdem durften wir in den einzelnen Ausgaben primär lauschen, welche tollen Unternehmen aus welchen positiven Gründen Eingang in das Redaktionsportfolio fanden und wie supidupi sich die Zahlen doch entwickeln. Lediglich vereinzelt wurde auch mal auf einen kritischen Punkt hingewiesen, etwa die Tücke von manchen Kennzahlen oder die (Quellen)Steuerthematik mit ggf. einhergehenden „Papierlawinen“. Das ist dem Finanzjoker allerdings alles etwas zu einseitig und dünn angesichts des bevorstehenden Endes und damit wohl auch „Fazit“ des einjährigen Dividendenexperiments auf Kritische-Anleger.de. Deshalb habe ich beschlossen, die gute alte Tradition des Tagebuchklaus fortzuführen, und erlaube mir auch in dieser Reihe einen eigenen Gasteintrag als „Ergänzung“ zu den bisherigen Redaktionsinhalten. Allerdings aus dem Blickwinkel, wo mehr Kritik oder Diskussionsbedarf angebracht sein kann – sowohl bei der allgemeinen Dividendenstrategie als auch im hiesigen Portfolio. Natürlich alles nur aus Hilfsbereitschaft, um dem Selbstanspruch von Kritische-Anleger.de unter die Arme zu greifen. Du weißt schon, „jeden Tag eine gute Tat“ und so…

Dividenden – Das (verkehrte) Maß aller Dinge?

Gleich vorab die Nörgler unter uns: Mir ist schon klar, dass ich weder der einzige geschweige denn der Erste bin, der auf folgende allgemeine Punkte hinweist. Zahlreiche andere Finanzblogger wie „Großmutters Spartrumpf“, der Finanzwesir und unser Musterfrugalist Oliver haben sich da schon sehr gut mit beschäftigt. Aber ich bin mir narrensicher, dass es nicht schadet, diese noch einmal gebündelt auch hier kurz aufzuzeigen — als ganzheitliches Gegenstück zur bisher doch eher mehr positiven Hofberichterstattung des tagebuchverantwortlichen Redakteurs David Stahmann. Ich nenne ihn der Einfachheit halber hier einfach „das Stahmännchen“, all right?

1. Hype(r), Hype(r)

Große Überraschung: Das Auswählen von „dividendenstarken“ Aktien (wie auch immer das jeder für sich definiert) ist zum Einen ein bereits sehr altes Konzept. Darüber hinaus ist es einer der großen Trends der letzten Jahre (gewesen). Denn spätestens seit Beginn der Nullzinsphase in Deutschland und anderen Teilen Europas durch die EZB-Politik als Reaktion auf die Finanzkrise 2008/09 suchen Hobbyanleger einen Zins-Ersatz und meinen, diesen mit (Hoch-)Dividendenwerten gefunden zu haben.

Sehen wir mal davon ab, dass solche Leute sich folgende zwei Sätze aus dem erstem Tagebucheintrags unseres Stahmännchens erneut in Erinnerung rufen sollten: „Zinsen werden Ihnen von der Bank als Gegenleistung für von Ihnen zur Verfügung gestellte Bankeinlagen garantiert. Das ist bei Dividendenzahlungen nicht der Fall, da diese einseitig vom Unternehmen gekürzt oder sogar gestrichen werden können“. Wozu führt denn ein Anlagehype fast immer, egal ob Bitcoins, Einführung der Telekom- als „Volksaktie“ oder Dotcom-Titel Ende der 90-er Jahre? Genau: Es wird überproportional viel Geld in solche Aktien gepumpt, was oft zu entsprechenden Kurssteigerungen führt. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass bei sich verschlechternden Rahmenbedingungen (Rezession, Handelskrieg, Blasenexplosion, nächste Schuldenkrise) hier auch die „Fallhöhe“ deutlich größer ausfallen kann als im (Markt-)Durchschnitt. Denn wo relativ gesehen das meiste Anlegergeld steckt, wird im Krisenfall wahrscheinlich auch das meiste Geld (relativ gesehen) wieder rausgeholt, wenn man z. B. seinen Cash-Anteil durch Aktienverkäufe erhöhen will. Und komm’ mir jetzt an dieser Stelle nicht mit „Aufgeklärte Privatanleger wie ich halten große Dividendenzahler natürlich auch in Krisensituationen, solange das Geschäftsmodell weiter stimmt“. Das Vorhandensein von Rationalität und Durchhaltevermögen im Ernstfall ist ganz klar überschätzt.

In diesem Zusammenhang auch die Bitte, sich nicht selbst zu belügen mit „Aktienkurs ist egal, solange die Dividende stimmt“. Die Aktienrendite aus Kurs- und Dividendenentwicklung bestimmt die Königsklasse – und im Umkehrschluss auch dazugehörige Bauernklasse.

2. (S)Teuer

Es gibt anscheinend immer noch Zeitgenossen unter uns, die annehmen, dass ausgezahlte Dividenden ein wertneutrales Geschenk des jeweiligen Unternehmens sind. Seriously, dude?

Ausschüttungen führen selbstverständlich immer zu einem Abfluss von Geld aus dem Unternehmen. Bezahlt werden diese meist aus Jahresgewinn bzw. operativem Ergebnis, freiem Cashflow oder Kapitalrücklagen, wobei in den letzten Jahren manche Unternehmen sogar Schulden in Form von Anleihen oder Krediten aufnehmen, um daraus besagte Dividenden oder Sonderausschüttungen zu bezahlen. Fallen gibt’s überall für Anleger… Jedenfalls führen diese Ausschüttungen im nächsten Schritt zu einer Absenkung des Aktienkurses in gleicher Höhe. Hat deine Aktie also heute einen Wert von 100 Euro und du erhältst morgen 5 Euro Dividende, wird der Aktienkurs morgen entsprechend auf 95 Euro gesenkt. Der „Wert“ von insgesamt 100 Euro hat sich also erst einmal nicht verändert. Im Gegenteil: Sofern du ausländische- oder einheimische Quellensteuer auf die Dividende zahlen musstest, hast du insgesamt sogar weniger „in der Tasche“.

Je nach Einzelfall bringt das noch weitere Nachteile nach sich: Operativer Aufwand beim Zurückholen von ggf. zu viel bezahlter Quellensteuer. Du wettest darauf, dass du mit dem erhaltenen Geld besser umgehen kannst als das Management des Unternehmens, welches nun weniger Mittel für z. B. Zukunftsinvestitionen hat (Frage: Warum hast du dann überhaupt in das Unternehmen investiert, wenn du kein Vertrauen hast?). Wenn die Ausschüttungen zur Wiederanlage gedacht sind, zahlst du neben ggf. Steuer noch zusätzliche Bankgebühren, die sich mit einer Thesaurierung evtl. hätten vermeiden lassen.

3. Die Gefahr des Fokus

Damit ist nicht eine mögliche Gefährdung durch ein bestimmtes deutsches „Nachrichten“magazins gemeint. Vielmehr geht es darum, dass selbsternannte Möchtegern-Dividendenjäger sich bei der Auswahl oftmals auf einen kleinen Pool von möglichen Sektoren oder ganz spezifischen Aktientiteln einschränken. Wer mal die Depots von dividendenorientierten Bloggern oder Kommentatoren miteinander vergleicht, stellt schnell fest, dass es fast immer die gleichen Unternehmen aus wenigen Branchen sind: Johnson & Johnson und Novartis aus der Pharmabranche; Unilever, McDonalds und PepsiCo aus der Nahrungsmittelindustrie sowie einige weitere hauptsächlich aus dem Konsumgüter- und dem Versorgersektor (erinnerst du dich an Punkt 1?).

Das führt letztendlich nicht selten zu einer mangelnden Diversifikation im eigenen Depot, sofern hier nicht bewusst gegenzusteuern versucht wird. Das kriegt das KA-Stahmännchen bisher anscheinend noch recht gut hin mit seinem Echtgeld-Portfolio. Aber wie sieht es da draußen bei der Masse an Privatanlegern aus? Schauen wir uns die Aktienkurse von den sogenannten Dividendentitanen wie eben J&J, Nestlé und Coca-Cola an, sehen wir schnell, dass diese seit 205/16 trotz Goldlöckchen-Szenario fast ohne wirkliches Wachstum nur noch stabil geblieben sind. Andere Firmen ohne jede Dividendenzahlung wie Berkshire Hathaway von Warren Buffett, Amazon und Alphabet hingegen sind munter gewachsen, wie man es in einem Wirtschaftsumfeld wie in den letzten 10 Jahren erwarten würde. Denn wenn nicht dann, wann sonst?

Weiterhin gibt es natürlich auch in vermeintlich „langweiligen, ergo sicheren“ Branchen immer wieder Bewegung, die meist schlicht unvorhersehbar sind. Das beste Beispiel: Der Energiesektor mit angeblich unerschütterlichen Vorteilen wie natürlichen Monopolen; staatlicher Regulierung und Überwachung; wenig disruptivem Charakter. Was soll da schon schiefgehen? Die Geschichte lehrt uns (abgesehen von ewig Unbelehrbaren, für die „diesmal alles anders ist“): E.ON und RWE in Deutschland, Enron und PG&E in den USA.

4. Von Höhen und Tiefen

Im Zusammenhang mit dem vorherigen Punkt ist mir auch die vorwiegende Orientierung an Firmen mit möglichst hohen Dividendenrenditen jenseits von 3-4 Prozent oder mehr ein Dorn im Auge. Übrigens auch beim Dividenden-Tagebuch! Neben der Überkonzentration auf wenige, immer die gleichen Unternehmen und Branchen führt das oft zu einem Vernachlässigen von Firmen, die eine kontinuierlich gute Dividenden- UND Kursentwicklung vorzeigen können. Die also das Beste aus zwei Welten vereinen. Dazu gehören etablierte Werte wie z. B. Apple, VISA sowie der deutsche Nebenwert Rational, die „nur“ Dividendenrenditen mit einer Null oder einer Eins vor dem Komma haben, aber ein starkes Dividendenwachstum von zuweilen 10-20 Prozent pro Jahr und parallel kontinuierliche Preissteigerungen am Aktienmarkt aufweisen. Zudem würde dadurch eine viel bessere Branchendiversifikation erreicht, die auf jeden Fall nicht schadet. Und unser Stahmännchen von der Redaktion hätte die Chance, mit dem Format mal ein bisschen Neues in diese offensichtlich doch recht statische Anlagewelt zu bringen. Bisherige Chance also vertan – schade!

5.Unternehmensmarken statt Landesgrenzen

Der letzte Punkt ist das Thema „Streuung auf verschiedene Länder“ mit der Motivation, ein sogenanntes „Länderrisiko“ vermeiden zu wollen. Obwohl die meisten Anleger das wahrscheinlich mal irgendwo nur gelesen haben und öffentlich nachschwatzen, aber nicht genau sagen können, welches Risiko hier exakt gemeint ist. Auch bei Kritische-Anleger.de wird schon fast krampfhaft geschaut, ja bloooooooß nicht zu viel in z. B. den USA investiert zu sein.

Ich sehe ehrlich gesagt nur exakt zwei Punkte, wo eine Unterscheidung von Ländern aus reiner Privatanlegersicht relevant ist (ausgehend von „relevanten“ Anlageländern, also nicht Somalia, Iran, Venezuela oder Philippinen): Kapitalsteuern und Wechselkurse. Sprich: Am besten in Firmen aus Länder investieren, wo die lokale Quellensteuer geringer oder maximal gleich dem Anteil ist, der in meinem steuerlich relevanten „Heimatsitz“ automatisch angerechnet wird. Damit erspare ich mir unnötige Verluste oder Aufwand beim Zurückholen von zuviel gezahlter Steuer. Zweitens in Firmen aus wirtschaftlich und finanziell stabilen Ländern gehen, wo eher geringe Wechselkursschwankungen zu erwarten sind, sofern die Währungen nicht fest miteinander gekoppelt sind.

Auf einer groben Ebene kann ich beide Argumente ja noch nachvollziehen. Aber ob ich dann in ein internationales Großunternehmen (denn nur in diese investiert man ja als „echter“ Dividendenjäger) mit Sitz in den USA oder Japan auswähle (beides wirtschaftlich starke Staaten mit jeweils 15 % voll anrechenbarer Quellensteuer sowie Fremdwährung) – macht das in einer globalisierten Welt dann noch einen so großen Unterschied? Kommt es in dem Fall nicht einfach darauf an, dass das Unternehmen mit seiner Geschäftstätigkeit so international wie möglich aufgestellt, um die Schwächen einer Weltregion durch andere, prosperierende Regionen ausgleichen zu können? Solange es dem Unternehmen finanziell gut geht (bzgl. Einnahmen, Schulden, Markt- und Markenstellung usw.) und die Wechselkurs- sowie primär Steuerthematik nicht nachteilig für mich ist, kann mir der Landessitz recht herzlich egal sein. Und wenn 10 von 13 Unternehmen in einem Depot aus den USA sind, aber alles weltweit agierende Firmen mit Gütern oder Dienstleistungen sind, die man „immer braucht“ – so what? Wo ist das Länderrisiko? Sicher – Gesetze und Regierungen können sich ändern. Aber das können sie erstens überall; wie wahrscheinlich ist das und zu guter Letzt haben solche Großunternehmen meist auch ein Wörtchen mitzureden und auch ihre Möglichkeiten (z. B. Verlagerung von Unternehmenssitzen).

Schrecken ohne Ende in Form der Dividende?

Oh Junge, nach dem kleinen Rundumschlag mit Odins Hammer erstmal kurz durchschnaufen… Wie wir sehen, ist das Ausschüttungsthema eine nicht ganz so einfache Rosa-Pony-Hof-im-Takka-Tukka-Land-Geschichte, wie es manchmal bei den Tagebucheinträgen nach außen erscheinen mag. Mir ist schon klar, dass das Redaktionsteam kein „Potemkinsches Depot“ aufbauen will. Aber den Vorhang etwas mehr lüften als bisher möchte dein Narr dann doch.

Allerdings: Joki wäre nicht er selbst, wenn er es auf dieser allgemeinen Ebene belassen würde. Denn auch bei der Auswahl und Kurzbeschreibung mancher Dividendentitel in der Reihe ist mir es zu einseitig positiv z. B. aus dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit. Dass die Kritischen Anleger „kein bewusst nachhaltiges Depot“ fahren wollen – ok. Aber für andere Anleger zumindest auf strittige Punkte hinweisen, ist ja nicht zuviel verlangt, oder? Möglichkeiten dafür gibt es ja, wie folgende kleine Auswahl zeigt:

  • Mowi (früher: Marine Harvest): In der Dezemberausgabe 2018 berichtete unser Stahmännchen über den Kauf des norwegischen Lachszuchtkonzerns und dass dies eine gute Anlageentscheidung sein könne, wenn der Trend weiter in die Richtung „Fisch statt Fleisch“ gehe. Allerdings wäre es auch gut zu erwähnen, dass die künstliche Lachszucht per Aquakultur ökologisch auch im Vergleich zum Wildfang nicht so unumstritten ist. Zum einen gibt es immer wieder den Vorwurf an die Branche, dass Formen der Massentierhaltung stattfinden mit entsprechenden Folgeerscheinungen wie vermehrter Antibiotikaeinsatz zur Eindämmung von Krankheiten sowie starke Beeinträchtigung der Gewässer durch vermehrteExkremente. Zudem würden die Fische für die industrielle Zucht genetisch optimiert und bei immer wieder vorkommenden Ausbrüchen durch zerstörte Netze sich mit gesunden Wildpopulationen mischen.
  • Brookfield Infrastructure: In der gleichen Tagebuchausgabe wird auch über den Aktienkauf des auf Infrastrukturprojekte fokussierten Vermögensverwalters geschrieben. Hier mag einem nicht sofort einfallen, was bei einem solchen Unternehmen bzw. Geschäftsfeld vielleicht diskutabel sein könnte. Aber hier geht es um Investitionen in Stromnetze, Straßen, Brücken, Häfen etc. – im Prinzip also um Dinge, wo man vermutlich zuallererst den Staat oder „Staatsunternehmen“ erwarten würden (ähnlich wie bei Wasserversorgung, die hierzulande meist in kommunale Zuständigkeit fällt). Es stellt sich also die Frage: Möchte man solche „hoheitlichen“ Aufgaben der Wirtschaft überlassen? Denn wo der Staat vielleicht schon zufrieden ist, wenn er seine Investitionen wieder einholt und anschließend wenigstens kostendeckend arbeitet, möchten privatwirtschaftliche Akteure wie eben Brookfield auch zusätzliche Rendite herausholen. Je nachdem, wie groß der Druck durch die Aktionäre ist oder wie schlecht die Regulierung bzw. Vertragsverhandlung der staatlichen Akteure ausfällt, zahlen Bürger wie du und ich dies in Form von z. B. Maut- und Netzgebühren oder über unsere Steuern. Zudem sitzt diese Brookfield-Gesellschaft auf Bermuda, einer Steueroase. Wer sich also einerseits gern über in den Nachrichten auftauchende „steueroptimierende Privatunternehmen“ beschwert und andererseits aber z. B. in hiesiges Unternehmen investiert ist und somit selbst davon profitiert…
  • PepsiCo: Der US-amerikanische Nahrungsmittelkonzern war einer der ersten drei Zugänge im damals neu eröffneten Stahmännchen-Depot. Die Argumentation war, dass das Unternehmen geografisch extrem breit aufgestellt ist und die Geschäftszahlen inkl. Dividendenausschüttungen beeindruckend seien. Nicht erwähnt wurde hingegen, dass die Firma immer wieder zusammen mit Nestlé, Coca-Cola und Danone als diejenigen bezeichnet werden, die den globalen Weltmarkt für (Flaschen-)Wasser beherrschen. Quell- und Brunnenwasser würde in Flaschen abgefüllt als (teurere) Alternative zu kostenlosem Leitungswasser verkauft, wobei die Qualität in vielen Ländern keinen Unterschied aufweise. Zudem würden die Unternehmen in einigen Ländern wie z. B. Indien in manchen Regionen das Grundwasser unter starken Stress setzen und somit gefährden.
  • Macquarie: In der vergangenen Ausgabe der Tagebuchreihe hat sich die KA-Redaktion unter anderem diese australische Investmentgesellschaft ins Boot geholt. Auch hier wieder mit Blick auf deren Fokus auf Infrastrukturthemen und deren geballte Finanzkraft. Abgesehen von der ähnlichen Fragestellung wie bei Brookfield wäre hier aus meiner Sicht noch ein anderer Punkt in der Kurzbeschreibung zumindest wissenswert gewesen: Macquarie ist einer der großen Player, die bei den sogenannten Cum-Ex-Geschäften kräftig mitgemacht haben, also der „unrechtmäßigen, bewusst herbeigeführten Mehrfacherstattung von nur einmal abgeführter deutscher Kapitalertragsteuer“. Dadurch sind dem deutschen Staat und damit uns allen als Steuerzahlern natürlich einige Sümmchen abhandengekommen. Das Unternehmen musste 2016 bereits erste Strafzahlungen leisten, wobei das Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, sondernnoch weiter seinen Lauf nimmt.

Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein

Meine lieben Jünger (oder neumodisch „Follower“), um es klarzustellen: Es geht mir nicht darum, einen heugabelschwingenden Mob vor der nicht-existenten Tür des Redaktionsbüros unseres Stahmännchen heraufzubeschwören. Denn welches Unternehmen hat in irgendeiner Form aus der individuellen Sicht mindestens eines der knapp 8 Milliarden Menschen nicht irgendwie Dreck am Stecken, wie es so schön heißt? Auch vermeintlich „saubere“ Investments in Erneuerbare Energien oder E-Mobilität haben ihre eigenen Probleme, wenn man sich einmal ernsthaft damit beschäftigt. Andere hingegen argumentieren, dass Ansätze wie z. B. die Divestment-Bewegung (also die bewusste Desinvestition aus Firmen, die im Bereich fossiler Energien tätig sind) nicht immer die sinnvollste Maßnahme seien. Diejenigen Investoren, denen etwas an einer Veränderung liege, würden dadurch sich selbst diverser Einwirkungsmöglichkeiten berauben und z. B. nicht über Hauptversammlungen Druck auf das Unternehmen machen können. Gleichzeitig gebe es immer genug andere Käufer, denen ökologische Punkte egal seien und die dann überproportional stimmberechtigt sind.

Nein, deinem Joki geht es nur darum, mit diesem kleinen Gasteintrag eine aus meiner Sicht wieder „gesunde“ inhaltliche Balance herzustellen, wo beide Seiten der Dividendenstrategie aufgezeigt werden. Es ist aber keine Verurteilung oder ähnlicher Unsinn, was die nette Tagebuchreihe als Erfahrungsbericht für euch alle angeht. Das Stahmännchen und ich wollen beide letzten Endes nur eines: Dir die Tür zu einer möglichen Anlagestrategie zeigen und welche zu treffenden Entscheidungen sowie zu bedenkenden Aspekte dich dahinter erwarten. Treffen musst du diese Entscheidungen dann aber ganz für dich allein…

Dein Joki

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am 09.06.2019 - 07:36 Uhr Link

Wie wäre es damit sich zuerst mit dem Thema eingehend zu beschäftigen? Oberflächliches Posaunen hilft keinem deiner follower...

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am 17.06.2019 - 21:22 Uhr Link

@Judas: Et tu, Brute? Gleiches sucht wohl tatsächlich gleiches :-) Denn oberflächliches Gemecker ohne inhaltliche Substanz hilft keinem deiner Follower-Genossen. Mit besten Grüßen und klingelnden Glöckchen, dein Joki

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am 17.05.2019 - 21:54 Uhr Link

Die Philippika gegen eine Aktienstrategie, die sich an Dividendenhöhe, verläßlichkeit, -steigerung orientiert ist in ihrem anekdotischem Narrativ trotz ihrer Länge kurzwelig lesbar. Allein, der Moralpredigt fehlt es wie Messgesängen an Belegen. Beleg für die Unterlegenheit einer Dividendenstrategie wie Top-Five-Dividenden mit Stopmarken gegenüber umsatz- und wachstumsorienzierten Strategien wäre mit posthoc-Untersuchungen zu belegen. Von der Beschneidung der Dividenden durch Ertragssteuern sind wohl nur Rentner und Studenten nicht betroffen. Immerhin können von diesen ca. 8000 Euro Einkünfte ohne Steuerabzüge erwirtschaftet werden.Betrug die mediane DAX-30-Rendite 2019 1,5 %, so läßt sich für einen absoluten Ertrag von 8000 Euro per Dividende ein Kapitaleinsatz von mehr als einer halben Million Euro überschlagen. So werden also höhere Dividenden und höhere Renditen gesucht. Damit steigt jedoch das Risiko eines Kapitalverlustes. Orientierend sei für frühere Jahre mit höheren Kapitalmarktzinsen aufgezeigt, daß bereits ab 5% Zinsen 50% Kapitalausfälle bei direkten Beteiligungen drohten. Investierende institutionelle Anleger bevorzugen dividendenträchtige Aktien, weil sie diese Erträge fest in ihrem Haushalt einplanen. Diese Investoren können es sich auch leisten, Kapital abzuschmelzen. Das gefährdet keinen Vorstandposten. Gut ist im vorliegenden Artikel seine Kontraposition. Schlecht die mangelnde Relativierung von Dividendenstrategien mit metrischen Vergleich zu anderen etablierten Strategien. Strategien sind letztlich mehr Angebote des Vertriebs als Leistungen des Käufers. Auf welches Versprechen hin gibt also der Kunde am willigsten und billigsten, was an der Börser am teuersten bedeutet, sein Geld aus.

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am 14.06.2019 - 23:08 Uhr Link

Hoiho "Anne Stock Me Tang". Mit Blick auf deinen Vorwurf bzgl. Belege und deinen eigenen Behauptungen ohne einzige Belege: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen - gilt auch für Pharisäer. Du siehst, auch ich kann schicke und (ab)gehoben klingende Wörter im Netz googeln :-) Abgesehen davon führe ich u. a. bei Punkt 3 und 4 einzelne Aktienwerte als Belege für meine Aussagen auf; erwähnte ich drei Finanzblogger als weiterführende Links, die das Thema viel besser beleuchtet haben als ich (z. B. für die Punkte 1 und 2) und Punkt 5 ist eine schlichte Meinung/These meinerseits. Nichtsdestotrotz darf natürlich allem widersprochen werden, sofern jemand nicht einverstanden ist. Insofern alles gut, dir sei verziehen und einen guten Rutsch ins Wochenende wünsche ich dir :-)

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